FAQ

Wir sind Erinnerung?
Wenn Spermium und Eizelle verschmelzen, entsteht Leben. In diesem Moment werden unzählige Informationen ausgetauscht. Wir tragen alle genetischen Informationen unserer Vorfahren in uns. In dieser Datenbank liegt unser Potenzial. Immer wieder hat sich das Leben den Anforderungen angepasst, sich entwickelt und die Erfahrungen in dieser Datenbank gespeichert. Während unser genetisches Gedächtnis voller Informationen ist, ist das persönliche Gedächtnis noch frisch und bereit, neue Informationen aufzunehmen. Neugierig blicken wir in die Welt, machen Erfahrungen und speichern sie in unserem persönlichen Gedächtnis. Sie werden zu unserer Geschichte, unsere Autobiographie. Hinzu kommen Geschichten, die wir über unsere Familie hören.
Die genetische Datenbank (engl. storage), die autobiographisch gespeicherten Informationen (to store) und die gehörten Geschichten (stories) sind die Fäden, aus denen die Persönlichkeit gewoben wird.
Was läuft schief?
Würde es uns gelingen im Hier und Jetzt zu sein, dann wären wir zufrieden. Oft sind wir jedoch in unseren Gedanken im Dort und Damals. Warum ist das so? Für Al Pesso entsteht dieser innere Konflikt, unter dem wir alle mehr oder weniger leiden, weil wesentliche Bedürfnisse nicht zu der richtigen Zeit von den richtigen Personen in der richtigen Form erfüllt worden sind. Wenn wir auf die Welt kommen, müssen wir genährt werden. Die Nahrung muss in einer Form gereicht werden, die dem Kind gerecht wird.  Milch aus der Brust der Mutter, dazu ausreichend Zeit, bis der Säugling das Signal gibt zum „fertig!“, scheint hierfür die richtige Form zu sein. Untersuchungen zeigen, dass Flaschenkinder häufig ermuntert werden zu trinken, bis die Flasche ganz leer ist. In diesem Konflikt zwischen innerem Bedürfnis – nur soviel zu trinken wie man mag und braucht –  und der äußeren Passform – soviel trinken zu müssen wie erwartet wird – entsteht das Ich.
Al Pesso postuliert eine Reihe von Bedürfnissen und Entwicklungsaufgaben. Zuerst müssen diese Bedürfnisse konkret erfüllt werden, Eltern füttern ihre Kinder buchstäblich. Später „füttern“ sie  ihre Kinder symbolisch, sie „füttern“ sie mit geistiger Nahrung. Zuletzt sind wir in der Lage, uns selbst zu ernähren.
In diesem komplexen Geschehen gibt es eine Reihe potenzieller Fallstricke. Generell kann ein Bedürfnis überbefriedigt werden, es kann unbefriedigt bleiben, oder aber es ist umgekehrt, das Kind kümmert sich um die Anliegen der Eltern. Im Grunde handelt es sich um unpassende Antworten auf die kindlichen Bedürfnisse. Diese fehlerhafte Passung erinnern wir und projizieren die Erfüllung unserer kindlichen Bedürfnisse in das Heute. In einem Vortrag sagte Al Pesso einmal: „… so memory runs the show“ („…die Erinnerung bestimmt also das Geschehen“).
Orte des Geschehens (Bühnen und Schirme)
Es ist die Fähigkeit zum Bewusstsein, die uns Menschen auszeichnet, sie macht uns einzigartig. Wir können uns bewusst sein über die Welt, die uns umgibt, und über die Welt, die in uns existiert. Wir haben die Fähigkeit, vor unseren geistigen Augen eine Welt zu erschaffen. In der Vorstellung können wir unseren Körper bewegen. Sportler nutzen diese Fähigkeit für mentales Training. Bewegungsabläufe werden solange mit dem geistigen Körper wiederholt, bis das neuronale Netzwerk des Gehirns eine neue Verknüpfung erstellt hat.
Al Pesso unterscheidet verschiedene „Orte des Geschehens“. Einige Orte bezeichnet er als „Bühnen“ und unterscheidet  sie von anderen Orten, den „Schirmen“. Unter den Bühnen versteht er Orte einer gemeinsamen Realität. Wenn Sie den Raum mit einer anderen Person teilen, dann bezeichnet Pesso dies als Bühne der „scheinbaren Realität“. „Scheinbar“ ist diese Realität deshalb, weil alles, was wir sehen, gefärbt wird durch unsere Erinnerung. Eine weitere Bühne lässt sich am ehesten als Bühne des Körpers bezeichnen. Auf dieser Bühne zeigen sich körperliche Signale. So könnte es sein, dass Sie in Gegenwart der anderen Person eine diffuse Anspannung spüren. Diese Bühne wird im Mikrotracking genutzt. All dies geschieht tatsächlich. Sie sind wirklich mit einer Person in einem Raum, und ihr Körper reagiert mit Anspannung.
Wenn Sie sich diese Person als Ihren Vorgesetzen vorstellen, entsteht vor Ihren geistigen Augen eine Szene. Sie projizieren diese Szene quasi auf einen inneren Schirm. Ihr geistiger Körper wird darauf ebenfalls reagieren.
Für die therapeutische Arbeit hat Al Pesso nun eine weitere Bühne entwickelt. Die Strukturbühne. Sie ist nicht die Realität. Auf dieser Bühne übernehmen Rollenspieler Rollen und helfen der Klientin / dem Klienten in der Vorstellung in eine andere heilsame Vergangenheit zu reisen.
Fühlen und Denken (Zeuge und Stimmen)?
Unsere Gedanken und unsere Gefühle kreisen häufig um diese fehlerhafte Passform. Der kindliche Verstand funktioniert egozentrisch. Dem Kind ist es kaum möglich, eine andere Perspektive einzunehmen als die eigene. Wenn Eltern ihr Kind z.B. wiederholt zu spät abholen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dieses Kind glaubt, es liege an ihm. Aus dieser Vermutung kann eine Überzeugung werden, die sich in einer bestimmten Art, über sich und die Welt nachzudenken, niederschlägt. Das Kind könnte z.B. zu der Überzeugung gelangen: „Es gibt Wichtigeres als dich!“. Diese Gedanken sind in der Regel auf negative Art wertend. In PBSP werden sie von dem Therapeuten während der Arbeit benannt.

Ein Klient könnte seine Struktur mit den Worten beginnen: “Die Anderen haben alle so wichtige Themen.“ Hier würde ein PBSP-Therapeut einhaken: „Das klingt wie eine Stimme der Wahrheit, die sagt: ‚Es gibt Wichtigeres als dich!‘“ Ein zustimmendes Nicken des Klienten signalisiert dem Therapeuten, dass hier eine Überzeugung treffend benannt wurde.

Gefühle sind komplexer. Sie äußern sich selten direkt in dem, was ein Klient sagt. Oft sind sie in der Art, wie jemand etwas berichtet, oder in dem Bild, das eine Klientin benutzt, enthalten. Sie können sich im Körper oder im Verhalten zeigen. Die Modulation der Stimme oder die Veränderung des Gesichtsausdrucks sind dabei wichtige Hinweise für den Therapeuten. Al Pesso entwickelte einen Prozess, den er Mikrotracking nannte.  Mikrotracking hilft, ein Gefühl und den Kontext, in dem es entsteht, bewusst zu machen. Hierzu führt Al Pesso eine vorgestellte Figur ein, die er den „Zeugen“ nennt. Der PBSP-Therapeut „leiht“ dem Zeugen quasi seine Stimme. In unserem Beispiel könnte der PBSP-Therapeut die Formulierung anbieten: „Wenn ein Zeuge hier wäre, würde er sagen: ‘Ich sehe, wie bedeutungslos du dich fühlst, während du feststellst, dass die anderen so wichtige Themen haben.‘ “

Der Zeuge steht auf der Seite der Gefühle und hilft, sie zu benennen und dem Kontext zuzuordnen. Stimmen (z.B.: die Stimme der Wahrheit, die Stimme der Vernunft, die Stimme der negativen Vorhersage etc.) helfen nicht, bewusste Überzeugungen zu erkennen.

Strukturen. Oder: Es ist nie zu spät für eine gute Kindheit
Als „Strukturen“ werden in der Arbeit nach Al Pesso die therapeutischen Arbeiten bezeichnet. Eine Struktur ist eine Einzeltherapie in der Gruppe, die einem bestimmten Ablauf folgt. Wenn entschieden worden ist wer arbeitet, beginnt die Strukturzeit. Für die nächsten 50 – 60 Minuten stehen die Gedanken und Gefühle des Protagonisten im Vordergrund. Da Al Pesso davon ausgeht, dass unsere Erinnerung unser Hier und Jetzt bestimmt, ist es nicht unbedingt notwendig ein bestimmtes Thema zu haben, es schadet allerdings auch nicht. Während die Klientin / der Klient berichtet, „leiht“ der Therapeut dem Zeugen die Stimme und benennt die Gefühle und den Kontext in dem sie entstehen. Überzeugungen werden in Form von Stimmen externalisiert.
In dieser Phase steht das Fühlen und Denken des Hier und Jetzt im Vordergrund. Akkurates Mikrotracking führt häufig zu lebensgeschichtlichen Zusammenhängen. Die Strukturbühne „bewegt“ sich nun in eine Vergangenheit, die zu einer Erinnerung geführt hat, die das Heute negativ beeinflusst. Dieser Historischen Szene wird in der Folge ein Antidot entgegengesetzt. Rollenspieler werden durch den Protagonisten angewiesen, die vergiftende Wirkung der Erinnerung aufzulösen, indem sie die Szene so darstellen, wie sie richtig gewesen wäre. Wesentlich dabei ist, dass die Klientin / der Klient die Szene nicht nur sieht und hört, sondern das die Szene erlebbar wird. Körper und Geist sollen diesen Moment als alternative Erinnerung erfahren. Deshalb ist es so bedeutsam, die Rollenspieler gut anzuweisen. In einer Struktur ist ein Rollenspieler eine Hilfsfigur für den Protagonisten. PBSP geht von der Annahme aus, dass die Seele – gibt man ihr den Raum –  in der Lage ist die richtige Passform zu finden. An dieser Stelle wären Vorschläge durch die Rollenspieler verwirrend. Intuitiv möchten Rollenspieler häufig ihre Rollen auch körperlich zum Ausdruck bringen. So hat eine Rollenspielerin in der Rolle einer „idealen Mutter“ den natürlichen Impuls, ihr „Kind“ in den Arm zu nehmen. Dennoch hat sie in einer Struktur die Aufgabe zu warten bis der Protagonist sie dazu auffordert.
Eine Struktur endet mit einem heilenden Gegenbild. Die Strukturbühne wird ebenso rituell aufgelöst wie sie begonnen hat. Rollenspieler verlassen ihre Rollen, und die Strukturbühne